Dehoga: Bilanz der Krise

Sören Nolte
27 Juni 2022
Im Juni zog der Dehoga Bundesverband Bilanz der beiden vergangenen Pandemiejahre. Demnach verlor die Gastrobranche von März 2020 bis März 2022 einen nominalen Umsatz von rund 75 Milliarden Euro. Die anstehende Sommersaison sorgt bei vielen Betrieben für Optimismus, während sie durch Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln vor neue Herausforderungen gestellt werden.

Nach zwei Jahren Corona-Pandemie kämpft sich das Gastgewerbe aus der Krise. So lautet die Kernbotschaft, die Guido Zöllick, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga Bundesverband), auf der Pressekonferenz des Verbandes im Juni in Berlin verbreitete. Denn dank der seit April anziehenden Nachfrage wachse bei vielen Betrieben Zuversicht. Allerdings werde der Neustart der Branche durch die massiv steigenden Kosten und wachsenden Unsicherheiten in Folge des Ukraine-Krieges erschwert. „Die aktuellen Herausforderungen könnten kaum größer sein“, sagte Zöllick. Die Branche brauche Planbarkeit und verlässliche Perspektiven. „Ich erwarte, dass beste Pandemie-Vorsorge für den Herbst getroffen wird, erneute Beschränkungen und Schließungen werden viele Unternehmen nicht überleben. Die Zukunftssicherung der Betriebe und Arbeitsplätze muss jetzt Priorität haben“, betonte Zöllick in Berlin.

Rekordverluste

Auf der Pressekonferenz richtete der Dehoga-Präsident den Blick auch in die jüngste Vergangenheit der Branche. In der neuen Dehoga-Veröffentlichung „Neustart 2022: Perspektiven schaffen“ zieht der Verband Bilanz der vergangenen zwei Pandemiejahre. Die Corona-Pandemie habe die Gastrobranche nach zehn Wachstumsjahren in ihre schwerste Krise der Nachkriegszeit gestürzt, sagte Zöllick während der Pressekonferenz. Für die Krisenjahre meldete die Branche demnach Umsatzausfälle „historischen Ausmaßes“. 2020 brach der Umsatz laut dem Statistischen Bundesamt gegenüber 2019 um real 39 Prozent (nominal -36,5 %) ein.

Das Jahr 2021 fiel mit realen Einbußen in Höhe von 40,1 Prozent (nominal -36,1 %) im Vergleich zum Vorkrisenjahr noch schlechter aus. Und auch im ersten Quartal 2022 musste das Gastgewerbe noch einen realen Umsatzverlust von 32,5 Prozent (-25,2 %) verkraften. „Von März 2020 bis 2022 hat die Branche damit nominal 74,9 Milliarden Euro verloren“, hob Zöllick hervor.

Es fehlt Personal

Die Pandemie traf auch den gastgewerblichen Jobmotor mit voller Wucht. „Verheerende Umsatzeinbrüche, monatelange Kurzarbeit und Unsicherheiten – trotz größter Anstrengungen gelang es nicht überall, die Mitarbeiter zu halten“, erläuterte der Dehoga-Präsident. Der höchste Rückgang bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wurde im Mai 2021 nach dem langen Lockdown mit 14,5 Prozent registriert, das entspricht einem Schwund von mehr als 160.000 Mitarbeitern gegenüber Mai 2019.

Erfreulich sei indes, dass nicht wenige Mitarbeiter zurückkehrten und auch wieder neue Mitarbeiter gewonnen werden konnten. Im März dieses Jahres zählte die Bundesagentur für Arbeit etwas über eine Million sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in der Branche. Das sind rund 63.700 weniger als im März 2019 (-6 %), aber bereits rund 61.000 mehr als im März 2021. Dramatische Rückgänge gab es bei der Zahl der Auszubildenden. „Aktuell erlernen fast 41.500 junge Menschen einen unserer sechs Ausbildungsberufe. 2019 waren es gut 51.000“, teilte Zöllick mit.

Zusammenfassend sagte Zöllick: „Die Zahlen belegen: Mit der Reise-, Kultur- und Veranstaltungswirtschaft gehört das Gastgewerbe zu den von der Corona-Krise hauptbetroffenen Branchen.“ Zur Bedeutung der staatlichen finanziellen Unterstützung betonte er: „Keine Frage – die Kurzarbeiterregelungen und Wirtschaftshilfen waren richtig, konsequent und überlebenswichtig.“ Dafür sei die Branche dankbar. Ohne diese hätten etwa 70.000 Unternehmen nicht überlebt und die Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt wären noch gravierender gewesen.

Nachholbedarf im Sommer

Laut Dehoga hoffen Hoteliers und Gastronomen nun auf eine gute Sommersaison. Denn der Nachholbedarf sei laut Guido Zöllick groß: „Die Menschen freuen sich, wieder ausgehen, reisen und genießen zu können.“ Viele Menschen hätten Deutschland als Reiseland neu entdeckt. In vielen Regionen gebe es berechtigten Anlass zur Hoffnung, dass die Betriebe in diesem Jahr an das Umsatzniveau von 2019 herankämen. Die touristische Nachfrage erhole sich schneller als die geschäftliche, das hätten auch die vergangenen Sommer gezeigt. Messen, Firmenveranstaltungen und Geschäftsreisen würden wieder stattfinden, aber noch nicht auf Vorkrisenniveau.

Preissteigerungen belasten Branche

Mit Verweis auf eine aktuelle Verbandsumfrage machte der Verbandspräsident in Berlin deutlich, dass „die explodierenden Kosten bei Energie, Lebensmitteln und Personal“ derzeit allen Betrieben zu schaffen machten. Laut der Umfrage bereiteten den Betrieben die Energiekosten (85,6 %), die Lebensmittelpreise (85,4 %) und die Personalkosten (67 %) sehr große Sorgen. Besonders bitter sei zudem, dass gute Nachfrage oft nicht bedient werden könne, da Mitarbeiter fehlten. Anfang Juni beklagten rund 60 Prozent der Betriebe einen akuten Mitarbeitermangel.

Um den aktuellen Herausforderungen entgegenzutreten, forderte Zöllick von der Politik entschlossenes Handeln und politische Weichenstellungen. Neue Belastungen und Reglementierungen für die Betriebe dürfe es nicht geben. Die Branche erwarte, dass jetzt eine bestmögliche Pandemie-Vorsorge für das Winterhalbjahr getroffen werde. Hinzu käme nun, eine sichere und finanzierbare Energieversorgung zu gewährleisten. Priorität hätten zudem Maßnahmen zur Arbeits- und Fachkräftesicherung. Zöllick betonte: „Wir benötigen dringend mehr Mitarbeiter aus dem Inland wie Ausland.“ Deshalb müsse die Arbeitskräftezuwanderung aus Nicht-EU-Staaten zügig ausgeweitet sowie Prozesse und Verfahren vereinfacht und beschleunigt werden. Längst überfällig sei eine echte Offensive für die duale Ausbildung. Die Beibehaltung der Mehrwertsteuersenkung auf sieben Prozent bezeichnete der Dehoga-Präsident als zentrale Maßnahme zur Zukunftssicherung der Gastrobranche.

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