Greenpeace / Mehrweg-Angebotspflicht: „Schlicht ignoriert“

Julia Breil
20 Januar 2023

Zwei Wochen lang überprüfte Greenpeace in allen Bundesländern stichprobenartig, wie die seit Beginn des Jahres geltende Mehrweg-Angebotspflicht im Außer-Haus-Markt umgesetzt wird. Das Ergebnis ist mehr als ernüchternd. Der Dehoga räumt Nachholbedarf ein, bittet aber auch um Verständnis.

Horecanews, 20.01.2023 – Seit dem 1. Januar dieses Jahres gilt für Außer-Haus-Betriebe ab einer bestimmten Größe die Pflicht, für Take-away- und To-go-Speisen und -Getränke eine Mehrwegalternative zu Einwegverpackungen anzubieten. Bei der öffentlichen Greenpeace-Recherche „Deutschland macht den Mehrweg-Test“ wurde in allen Bundesländern und den größten deutschen Städten getestet, inwiefern die neue Mehrweg-Angebotspflicht im Rahmen des Verpackungsgesetzes umgesetzt wird. Dafür wurden vom 1. bis 15. Januar in insgesamt 687 Stichproben Gastronomiebetriebe, Fast-Food-Ketten und Imbisse sowie Lieferdienste und Supermarkt-Frischetheken geprüft.

Das Ergebnis fällt laut der Umwelt-, Natur- und Klimaschutzorganisation Greenpeace enttäuschend aus: Gut die Hälfte (52 %) der getesteten Gastro-Betrieben hält sich demnach nicht an die seit Jahresbeginn geltende Pflicht, Mehrweg-Alternativen für das Mitnehmen von Speisen und Getränken anzubieten

Viele „Baustellen“

So zeigt die Recherche auf, dass etwa bei McDonald‘s oder Burger King nur Getränke und Eis in Mehrwegverpackungen angeboten würden, andere Produkte jedoch weiter in Einwegverpackungen. Kentucky Fried Chicken bot nicht einmal für Getränke Mehrweg-Alternativen an, obwohl dies nun materialunabhängig für alle Einwegbecher verpflichtend ist. Den vollumfänglichen Anforderungen des Gesetzes, einem Mehrweg-Angebot ohne Aufpreis und mit deutlich sichtbarer Bewerbung im Laden, kamen der Recherche zufolge sogar nur knapp 24 Prozent der Gastro-Betriebe nach. Mehrere tauschten zudem das Plastik der Einwegverpackungen gegen andere Materialien aus und würden somit das Gesetz umgehen, ohne die Müllmenge zu verringern, berichtet Greenpeace.

Strafrechtliche Konsequenzen gefordert

„Eine Mehrweg-Angebotspflicht, die von gut der Hälfte der Take-Away-Branche schlicht ignoriert wird, ist keine“, macht Viola Wohlgemuth, Expertin für Ressourcenschutz von Greenpeace, deutlich. Um „die Müllflut“ zu stoppen, müsse die Einhaltung des Gesetzes kontrolliert, strafrechtlich vollzogen und vor allem ausgeweitet werden, fordert sie und ergänzt: „Umweltministerin Steffi Lemke sollte die katastrophalen Erfahrungen der ersten Wochen nutzen, um endlich eine flächendeckende Mehrweg-Pflicht einzuführen - und zwar für alle Verpackungsmaterialien.“ In der offiziellen Mitteilung heißt es zudem: „Greenpeace wird die Ergebnisse den verantwortlichen Landesbehörden zur Verfügung stellen und fordert die strafrechtliche Durchsetzung des mit bis zu 10.000 Euro Bußgeld versehenen Gesetzes.“

Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) zeigt sich nicht kompromissbereit und kündigte bereits Ende Dezember 2022 und damit vor In-Kraft-Treten der Mehrweg-Angebotspflicht an, Verstöße zu melden. So erklärte Thomas Fischer, DUH-Leiter für Kreislaufwirtschaft: „Die Gastronomie hatte über ein Jahr Zeit, sich auf die Mehrwegangebotspflicht vorzubereiten. Jetzt gibt es keine Ausreden mehr. Wir werden uns die Umsetzung der Informationspflicht und die Ausgestaltung des Mehrwegangebots sehr genau anschauen und gegen Verstöße rechtlich vorgehen.“ Auch gehe die neue Mehrweg-Angebotsregel nicht weit genug, hebt die DUH hervor. Das Gesetz zum Angebot einer Mehrwegalternative solle auch für Kleinunternehmen mit einer Verkaufsfläche unter 80 Quadratmetern und weniger als fünf Mitarbeitern gelten. Diese sind nach aktueller Gesetzeslage von der Mehrwegangebotspflicht befreit. Zudem fordert die DUH eine Abgabe von mindesten 20 Cent auf Einweg-Becher, -Boxen und -Besteck.

Existenznöte berücksichtigen

Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga Bundesverband), wirbt in den Medien für Verständnis gegenüber dem Gastgewerbe: „Seit März 2020 kämpfen viele Gaststätten um ihre nackte Existenz.“ Die Energiekrise, die Kostensteigerungen und der Mangel an Arbeitskräften seien derzeit ebenfalls eine große Belastung. Hartges betont: „Auch vor diesem Hintergrund ist die Mehrwegangebotspflicht eine große Herausforderung für alle Beteiligten.“ Deshalb sei es wichtig, die Probleme sachlich und konstruktiv anzugehen.

Die Branche versperre sich der Herausforderung nicht, sagt Hartges. Allerdings brauche es jetzt praxistaugliche Lösungen. Leitlinien der Behörden seien teilweise erst für Februar angekündigt. Die Dehoga-Hauptgeschäftsführerin erklärt: „Hier fehlen uns noch qualifizierte Informationen.“

Informationen und Merkblätter für Außer-Haus-Betriebe zum Thema Mehrweg-Angebotspflicht nach aktuellem Informationsstand stellt der Dehoga unter https://www.dehoga-bundesverband.de/branchenthemen/mehrwegangebotspflicht/ bereit.

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