Foodwatch-Report: Streitpunkt Lebensmittelwerbung

Ralf Lang
24 Februar 2021

Die Verbraucherorganisation Foodwatch stellt ihren diesjährigen Report 2021 mit dem Titel „Junkfluencer“ vor. In diesem fordert sie vom BMEL strengere Vorschriften für Werbemaßnahmen der Lebensmittelindustrie auf den Social-Media-Kanälen. Dort würde gezielt der Einfluss junger Influencer genutzt, um ungesunde Produkte bei Kindern und Jugendlichen zu vermarkten. Die Industrie zeigt sich über diese Anschuldigungen empört.

Horecanews, 24.02.2021 – „Die Lebensmittelindustrie macht mit übergriffigen Marketingmethoden Geschäfte auf Kosten der Kindergesundheit“, wirft Luise Molling von Foodwatch großen Konzernen wie McDonald’s, Coca-Cola und Mondelez, aber auch Familienunternehmen wie Coppenrath & Wiese oder Haribo vor. Sie erklärt: „Mit Hilfe von Influencern senden die Unternehmen ihre Werbebotschaften an den Eltern vorbei direkt ins Kinderzimmer und auf die Handys junger Menschen.“ Die Grundlage dieser Vorwürfe bilden umfassende Rechercheergebnissen der Verbraucherorganisation Foodwatch, die im Jahr 2020 über einen Zeitraum von mehreren Wochen nach eigenen Angaben tausend Posts, Stories und Videos bekannter Social-Media-Stars untersucht hat. In dem Report 2021 mit dem Titel „Junkfluencer“ dokumentiert sie zahlreiche Belege für entsprechende Werbung über Plattformen wie Youtube, Tiktok oder Instagram.

Verbot von Junkfood-Werbung gefordert

So werbe beispielsweise auf Instagram das insbesondere bei jüngeren Mädchen beliebte Duo Viktoria und Sarina für zahlreiche Produkte Coca-Cola, McDonald’s und Coppenrath & Wiese – stets vor dem Hintergrund einer rosa Glitzerwelt mit Hunden und Pferden. Allein ein Promo-Video für den Tortenhersteller sei fast eine halbe Million Mal angeklickt worden und zähle derzeit mehr als 100.000 Likes. Der 29-jährige Simon Desue protze hingegen in seinen Videos mit Villen und Luxusautos und mache bei seinen mehr als vier Millionen Abonnenten Werbung für Haribo sowie ebenfalls für die internationale Fastfoodkette McDonald‘s.

Ernährungsgewohnheiten, die die Gesundheit lebenslang beeinflussen, würden bereits in jungen Jahren entwickelt, betont Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit an der Kinderklinik der Universität München. Er fordert daher ein Verbot von an Kinder und Jugendliche gerichteter Werbung für Produkte mit hohem Zuckeranteil. Denn laut dem Robert Koch-Institut verzehren Kinder im Alter von sechs bis elf Jahren im Schnitt nicht einmal halb so viel Obst und Gemüse, aber mehr als doppelt so viele Süßwaren oder Snacks wie empfohlen. Aktuell gelten etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen als übergewichtig und sechs Prozent sogar als fettleibig – ihnen drohen im späteren Lebensverlauf Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Gelenkprobleme, Bluthochdruck und Herzerkrankungen. In diesem Sinne empfiehlt das Robert Koch-Institut unter anderem, dass die Bewerbung von „ernährungsphysiologisch oft fragwürdigen Kinderlebensmitteln verringert und kontrolliert“ wird.

Werbung unterliegt strengen Richtlinien

Über die Kritik der Verbraucherorganisation äußert sich die Lebensmittelindustrie empört. So weist etwa der Lebensmittelverband Deutschland die Vorwürfe des Reports zurück und führt stattdessen die bereits aktuell geltenden strengen Regeln in Bezug auf Marketingmaßnahmen in allen Mediakanälen an. Für den Social-Media-Bereich existierten zusätzliche Vorschriften, erklären die Experten des Lebensmittelverbands: „Social-Media-Kanäle unterliegen zusätzlichen Beschränkungen, auch durch die Plattformen selbst. So gilt etwa bei Instagram und Tiktok laut Nutzungsbedingungen das Mindestalter von 13 Jahren.“ Facebook habe strenge Werberichtlinien, nach denen keine Produkte gegenüber Minderjährigen beworben werden dürften, die „unangemessen, illegal oder unsicher sind beziehungsweise die die ausgewählten Altersgruppen ausnutzen, irreführen oder unzulässigen Druck auf sie ausüben“, heißt es vom Verband.

In einer Stellungnahme bezeichnet der Verband den Foodwatch-Report zudem als „methodisch unausgewogen“, da nur ein kleiner, als kritikwürdig angesehener Ausschnitt der gesamten Influencer-Kommunikation untersucht werde. Weiter heißt es: „Produkte ohne Markennamen wie Gemüse, Obst sowie selbst gekochte oder gebackene Speisen, die einen großen Teil der Influencer-Kommunikation darstellen, werden eben so wenig berücksichtigt wie Marken, die für besonders abwechslungsreiche, kalorienarme Ernährungsstile stehen. Auch Werbung für nachhaltige Produkte sowie pflanzliche Alternativen wird ausgeklammert.“ Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Lebensmittelverbands Deutschland, zeigt sich über die Darstellung der Lebensmittelindustrie innerhalb des Foodwatch-Reports verärgert: „Dass Influencer mit Werbung ihren Lebensunterhalt bestreiten, ist ein zehn Jahre alter Hut – offenbar gehen Foodwatch die Themen aus. Es ist aufschlussreich, was für krude Feindbilder hier bemüht werden. Und das, obwohl Foodwatch selbst mit emotional aufgeladenen Kampagnen im Social-Web um Spender wirbt.“

Selbstverpflichtung nicht ausreichend?

Unterstützung und Bestätigung erhält die Verbraucherorganisation Foodwatch hingegen von dem Verband Allianz Nichtübertragbarer Krankheiten (DANK), deren Sprecherin Barbara Bitzer den Report mit den Worten kommentiert: „Die Analyse der Influencer-Werbung zeigt in erschreckender Weise, wie Konzerne gezielt Kinder und Jugendliche zum Konsum ihrer ungesunden Produkte animieren. Das macht alle Bemühungen von Eltern und Schule für eine Erziehung zu gesunder Ernährung zunichte.“ Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass Werbung dazu führt, dass Kinder mehr Snacks und mehr Kalorien zu sich nehmen. Erneut habe sich gezeigt, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie in keiner Weise eingehalten werde, ergänzt Bitzer. Auch sie sieht daher zum Schutz der kindlichen Gesundheit ein Verbot von an Kinder gerichteter Werbung für ungesunde Produkte als notwendig an.

Bundesernährungsministerin Julia Klöckner setzt bislang darauf, dass sich die Industrie freiwillig beschränkt. In einer offiziellen Stellungnahme teilt sie nun im Hinblick auf die Reportergebnisse aber mit: „An Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung müssen wir stärker in den Blick nehmen. Ich meine, hier sind weitergehende Beschränkungen notwendig. Dies gilt gerade auch für den digitalen Bereich, der für den Medienkonsum von Kindern immer relevanter wird. Werbung darf Kinder nicht dazu verleiten, sich ungesund zu ernähren.“ Statt eines Verbots appelliert die Bundesernährungsministerin jedoch an den Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft, die Verhaltensregeln zu verschärfen: „Ganz konkret fordere ich Nachbesserungen bei der Altersgrenze und bei der Werbung für Lebensmittel mit ungünstiger Nährstoffzusammensetzung. Weiter ist wichtig, dass verschärfte Verhaltensregeln in der Praxis auch streng angewandt werden.“

jb

 

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